Die Kapazitäten zur Reinigung der kommunalen Abwässer im Anschlussbereich der Kläranlage Drochtersen (folgend ARA genannt) sind bekannter Maßen ausgeschöpft. Als konkrete Folge wurde seitens des Landkreises Stade die Genehmigung der 22. Änderung des Flächennutzungsplanes (Zusammenhang mit dem Bebauungsplan 90 – An der Elbmarsch) untersagt, da aus Sicht des Landkreises Stade die Schmutzwasserbeseitigung zum Zeitpunkt der Antragsstellung nicht sichergestellt werden konnte.
Die EWE Wasser, als Betreiber und Eigentümer der ARA, wies bereits 2016 auf das nahende Erreichen der Kapazitätsgrenze in der Reinigungsleistung hin. Um die Reinigung der kommunalen Abwässer sicherzustellen, wurden mehrere Varianten betrachtet, teilweise verworfen oder als nicht realisierbar erkannt und zwei als realisierbare identifiziert.
Aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsausschusses vom 29.9.2021 wurde die Beauftragung eines externen Dienstleisters beschlossen, um die Betrachtung der beiden verbliebenen Varianten, Sanierung am Standort oder Überleitung nach Stade, durchzuführen. Der hiermit beauftragte Dienstleister Hamburg Wasser AöR wurde im Rahmen eines Vergabeverfahrens ermittelt und bringt ausreichende technische Expertise, sowie auch umfängliche Erfahrung in der Betriebsführung von Abwasserreinigungsanlagen/-verfahren in den Vergleich der beiden Varianten mit ein.
Mit dem vorgestellten Bericht vom 17.03.2022, der am 24.03.2022 bereits den Fraktionsvorsitzenden zur Erläuterung vorgestellt wurde, werden die Vor- und Nachteile beleuchtet und Risikofaktoren herausgearbeitet. Der Bericht „Gemeinde Drochtersen - Zukunftskonzept Schmutzwasserbeseitigung“ wird der Vorlage als Anhang beigefügt und wird Bestandteil des Entscheidungsprozesses zur Zukunftsausrichtung.
Schwerpunkt der externen Betrachtung sind technische, ökologische und ökonomische sowie vertragliche Aspekte, die zu erwartende Belastung für die Gebührenzahler und auch der Faktor Zeit. Im Laufe der Ausarbeitung und in den regelmäßigen Gesprächen mit der Verwaltung, stellte sich die gesamte Komplexität der anstehenden Entscheidung weiter heraus.
Unter Punkt 4 werden die beiden möglichen Lösungen näher erläutert und Hinweise zu rechtlichen Möglichkeiten im Titel 5 genannt. Die Betrachtung der zu erwartenden Kosten finden sich im Titel 6, Vor- und Nachteile beider Varianten werden unter Punkt 7 aufgezeigt und anschließend im Fazit (Punkt 8) bewertet.
Der Verfasser des Berichts, Herr Dipl.-Ing. Oliver König, wird an der Bauausschusssitzung teilnehmen und für Fragen zur Verfügung stehen.
Im Ergebnis stellt das Gutachten heraus, dass beide Varianten plausibel und schlüssig, technisch umsetzbar und geeignet sind, die Schmutzwasserbehandlung der Gemeinde Drochtersen langfristig sicherzustellen und darüber hinaus Entwicklungspotentiale für neue Erschließungs- und Entwicklungsgebiete zu generieren.
Dabei differenziert das Gutachten in drei Schwerpunkten:
- Kostenvergleich
Bei der Gegenüberstellung ergibt sich kein signifikanter Ausschlag zu einer der beiden Varianten. Die Kostenbetrachtung ist insoweit als Entscheidungshilfe von untergeordneter Bedeutung.
- Technische und ökologische Betrachtung
Hier geht das Gutachten schlüssig davon aus, dass grundsätzlich die Abwasserentsorgung in einer größeren Entsorgungseinheit für die Beteiligten effizienter und effektiver, verbunden mit geringeren Umweltauswirkungen erfolgen kann. So können bspw. erforderliche Investitionen auf einen größeren Nutzerkreis umgelegt werden, was die Kosten pro Nutzer reduziert. Darüber hinaus ergeben sich für den erforderlichen Energieaufwand deutliche Synergien (weniger Energieverbrauch = besser für die Umwelt).
Auch der Wegfall einer Einleitstelle (hier: Gauensieker Schleusenfleet am Hafen im Bereich eines Landschaftsschutzgebietes) hat umwelttechnisch durchweg positive Auswirkungen.
Unter diesen Aspekten würde sich aus Sicht des Gutachters die Überleitung des Abwassers nach Stade empfehlen.
- Stand der Vorplanung und zeitliche Umsetzung
Für die Variante „Überleitung nach Stade“ steckt die Vorplanung noch am Anfang. Die technische Machbarkeit ist vermutlich gegeben, aber eben noch nicht belegt. Die Datenlage ist überschaubar. Die erforderlichen Beschlüsse, Vertragsinhalte und Modelle der Zusammenarbeit noch nicht ansatzweise betrachtet. Folglich sind auch die rechtlichen Risiken nicht abschätzbar.
Insgesamt bedarf diese Variante noch umfangreicher rechtlicher, technischer und planerischer Vorarbeiten. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass hierfür nicht nur entsprechende Planungsbüros für die technische Planung und Umsetzung erforderlich werden, sondern auch begleitende juristische Expertise einzuholen und Büros für die Projektabwicklung zu beauftragen wären. Der Kostenrahmen hierfür ist derzeit nicht abschätzbar.
Auf der Gegenseite ist die detaillierte Vorplanung für die Variante „Ertüchtigung der Kläranlage am Standort“ vorliegend und bedürfte lediglich der Aktualisierung. Rechtlich wie planerisch herrscht Klarheit. Nach erfolgter Richtungsentscheidung seitens des Rates könnte unmittelbar mit der Umsetzung begonnen werden. Auf der Grundlage eines entsprechenden Bauzeitenplanes könnten sodann umgehend die Gespräche mit dem Landkreis Stade für die Entwicklung ausstehender Erschließungsgebiete aufgenommen werden. Die Realisierung der Maßnahme wird mit ca. drei Jahren angegeben.
Vor diesen Hintergründen ergeben sich laut Gutachten „in der zeitlichen und rechtlichen Umsetzung klare Vorteile für die Erweiterung der ARA“.
Fazit seitens der Verwaltung:
Eine eindeutige Variantenempfehlung ist dem Gutachten nicht zu entnehmen, was jedoch keineswegs an dem Gutachten oder dem Gutachter, sondern im Wesentlichen an den Rahmenbedingungen, der zu Grunde liegenden Datenlage und den höchst unterschiedlichen Planungsständen liegt.
Vielmehr stellt das vorliegende Gutachten schlüssig, verständlich und folgerichtig sämtliche Grundlagen und Zusammenhänge dar, bildet Plausibilitäten ab und lässt die unabhängige Expertenmeinung und Facherfahrung einfließen. Insofern stellt dieses Gutachten durchaus eine profunde Entscheidungsgrundlage für die Gemeinde Drochtersen dar, woraus sich ein Meinungsbild ableiten lässt – die Ertüchtigung der bestehenden Anlage am Standort wird präferiert.
In seiner Sitzung vom 27.4.2022 hat der Verwaltungsausschuss nach umfangreicher, kontroverser und inhaltlich tiefgehender Diskussion den nachfolgenden Beschlussvorschlag für den Gemeinderat beschlossen.